Einzel- und Gruppenpsychotherapie
„Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Wilhelm von Humboldt
Als Menschen sind wir zunächst einmal soziale Wesen, die in gemeinschaftlichen Verbänden (z.B. einer Familie) aufwachsen und bewegen wir uns in vielen zwischenmenschlichen Kontexten wie der Schule, Universität oder dem Arbeitsplatz, Partnerschaften, Freundschaften und Nachbarschaft. Psychische Erkrankungen wiederum gehen häufig mit Störungen der Beziehungsgestaltung einher. Eine wissenschaftlich erwiesen wirksame Behandlungsform psychischer Erkrankungen stellt daher alternativ oder ergänzend zur Einzeltherapie die Gruppenbehandlung dar. Die Kosten werden bei Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung von der Krankenkasse getragen.
Die tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie findet über ca. 1 bis 3 Jahre in wöchentlichen Sitzungen von 100 Minuten Dauer statt. In einer Gruppe befinden sich bis zu 9 Gruppenmitglieder unterschiedlichen Geschlechts und Alters. Die Vielfalt innerhalb der Gruppe bildet dabei die Buntheit der Gesellschaft ab.
Eine Gruppentherapie hat gegenüber der Einzeltherapie den entscheidenden Vorteil, dass sich die Gruppenmitglieder einander selbst oft unbewusste Aspekte des Erlebens und Verhaltens gegenseitig spiegeln können nach dem Motto: Jedes Ding hat drei Seiten - eine, die Du siehst, eine, die ich sehe und eine, die wir beide nicht sehen. (Chinesische Weisheit)
Die Therapeutin sorgt dabei für den sicheren Rahmen des Prozesses, achtet auf die Einhaltung der Grundregeln wie regelmäßige, pünktliche Teilnahme, Schweigepflicht und vor allem respektvollen Umgang. Dadurch wird es möglich, sich geschützt genug zu fühlen, um sich auf den Prozess und die Gruppe einlassen und sich öffnen zu können. Innere und äußere Konflikte werden gemeinsam bearbeitet und mit der Zeit entsteht in und mit der Gruppe eine gemeinsame Entwicklung des Einzelnen und der Gruppe.
Wirkungsweise:
Unser Beziehungsleben ist oft von unbewussten (aus der Kindheit stammenden) Bedürfnissen, Ängsten und Konflikten geprägt und es hilft, zu verstehen, wie unser aktuelles Beziehungsleben von früheren Beziehungserfahrungen bestimmt wird (die so genannte Übertragung bzw. der Vergangensheitsbezug). In der Gruppentherapie schildern die Teilnehmer*innen den Gruppenmitgliedern ihre Empfindungen, Erlebnisse, Erinnerungen und Träume und holen sich deren Rückmeldung ein. Dabei erleben die Teilnehmer*innen aber ebenso ihre aktuelle Beziehung zu den anderen Teilnehmer*innen und können auch diese Einrücke in der Gruppe gemeinsam reflektieren (Gegenwartsbezug). Eine Gruppentherapie ermöglicht es Ihnen, oftmals deutlicher als eine Einzeltherapie, sich selbst in Beziehungen zu erleben und zu verstehen und ihre Beziehungen schließlich anders und gelingender zu gestalten (Veränderung und Zukunftsbezug).
Psychotherapie in der Gruppe bedeutet also nicht, dass „nur“ über etwas im Außen (Konflikte in der Ehe, in der Arbeitswelt usw.) gesprochen wird, sondern ist gelebte zwischenmenschliche Praxis: Wie erlebe ich mich und die anderen hier in der Gruppensituation? Wie wirke ich auf mein Gegenüber? Wie teile ich mich anderen mit?
Im Alltag zeigen wir unseren Mitmenschen oft unsere verletzlichen, ungeliebten oder sozial unerwünschten Seiten nicht und erhalten somit auch keine wertvollen Rückmeldungen dazu. Hat die Gruppe miteinander Vertrauen aufgebaut, zeigen wir uns hingegen viele Facetten. Neben der heilsamen Erfahrung, dass man mit bestimmten Ängsten und Konflikten nicht alleine ist, diese geteilt und oft verstanden werden, kann darüber hinaus erprobt werden, eigene Bedürfnisse einzubringen, sich abzugrenzen oder auch einmal durchzusetzen. Wichtige Erfahrungen können (vielleicht erstmalig im Leben) in einer Gemeinschaft gemacht werden: Zugehörigkeit, Einzigartigkeit, Abgrenzung, Akzeptanz, Veränderung und Mitgefühl. Neben der Verbalisierung (dem Sprechen) können ggf. erlebnisorientierte Techniken, Übungen, Entspannungsverfahren, Hypnose und Imaginationen hilfreich sein und zur Anwendung kommen. Vor dem Behandlungsbeginn finden mehrere Vorgespräche im Einzelkontakt statt und wird in einem Behandlungsvertrag alles Wesentliche erörtert.
Es gelten unter anderem folgende Grundregeln:
- Die Teilnahme an der Gruppe ist für mindestens ein halbes Jahr (wünschenswerterweise länger) gedacht, damit gegenseitiges Vertrauen entstehen kann. Ein neues Mitglied kann in der Regel nur aufgenommen werden, wenn ein Platz frei geworden ist, weil eine Therapie beendet werden konnte.
- Die Gruppe kann einen Raum bieten, offen über alles zu sprechen, was Sie beschäftigt. Dies umfasst auch Ihre Gedanken und Gefühle zu den anderen Gruppenteilnehmer*innen. Diese können frei und respektvoll geäußert werden.
- Schweigepflicht: Eine wichtige Voraussetzung für die Offenheit und Vertrauen ist, dass alles, was in der Gruppe geäußert wird, auch hier in der Gruppe bleibt.
- Damit die Themen alle innerhalb der Gruppensitzung selbst und unbefangen bearbeitet werden können, ist es sinnvoll, dass sich die Gruppenmitglieder nur innerhalb der Gruppentherapie treffen und sich nicht bereits aus anderen Kontexten kennen.
Wenn psychische Störungen durch zwischenmenschliche Erfahrungen verursacht und aufrechterhalten wurden, dann ist zu erwarten, dass psychische Störungen durch neue, ‚korrigierende‘ Beziehungserfahrungen überwunden werden können. In der Gruppentherapie bietet sich Ihnen diese Chance.